Samstag, 28. März 2015

"Toll. jetzt hab ich Hunger" - oder: ein Kinoabend nur für mich

Seit Wochen schon im Kalender eingetragen geht es heute zum Filmhaus in der Königstraße . Der Low-Buget-Themen-Film "Los Veganeros" soll heute ein Gastspiel in Lübeck haben.
Gemäß meines Planes war ein früherer Feierabend heute leider nicht möglich. Zumindest war ich aber pünktlich zuhause und hatte eine halbe Stunde für neue Klamotten und nen schnelles Abendessen (leckeres Linsencurry mit Süßkartoffeln :-P). Das wird heute ein KInobesuch ohne Begleitung. Der Film scheint sonst keinen aus meinem Umfeld zu tangieren. Mir egal. Hab ich mehr Popcorn für mich allein.

Dannach zum Bus und um 19:30 aus selbigen wieder rausgehüpft. Ab zum Kino, denn die Reservierung ist nur bis zu ner halben Stunde vor Programmstart gültig. Karte geschnappt und im Vorraum des kleinen Filmhauses umgeschaut. Hier wartete schon eine kleine Menge an Leuten auf den Einlass in den Saal und eine gut sortierte Naschi- und Getränkebar bannt meine Aufmerksamkeit. Mit einer Bionade in der Hand ging es dann die Treppe zum Saal hoch - nach Popcorn war mir nach dem vor kurzen verzehrten Abendbrot noch nicht wirklich.
Wohl aber dann doch nach den leckeren veganen  Muffins und Cupcakes, die dort am Verkaufstresen für jeden umsonst waren, der sich unten oder oben bereits was zu trinken gekauft hatte. Ich hab mir dann gleich einen Apfelmuffin gegriffen und meinen Platz in Reihe G angesteuert.

Noch 20 Minuten. Der Saal füllt sich langsam und ist zu den obligatorischen Werbetrailern etwa halb gefüllt. Neben einigen realtiv unauffälligen okayen Werbetrailern läfft dann tatsächlich das, was bei keiner Kinowerbung fehlen darf: Die Eiswerbung. Die in allen umweltbozogenen Kreisen stark kritisierte Firma Nestle preist ihr Schöller-Jogurteis und andere Milcheissorten an. Im Saal schwillt plötzlich ein deutliches Gemurmel an. Es war wohl allen klar, dass dieser Trailer zu jedem - auch wirklich jedem- Kinovorspann dazu gehört, vor einem Themenfilm über vegane Lebensweise wirkt er allerdings plötzlich absolut grotesk und wie eine Parodie.
Den Hammer brachte dann aber der arme Bauchladenverkäufer, der direkt nach der werbung noch einmal den Saal betrat und rief "Möchte denn trotzdem jemand vielleicht ein nicht-veganes Eis kaufen?" Das war's - das ganze Kino war am Prusten und Lachen.  Eine kleine verhaltende Meldung in einer der vorderen Reihen, zu der der Eisverkäufer dann auch etwas versucht unauffällig und geduckt hineilte, machte die Situation noch komischer.

Dann geht es endlich los. FILM AB!
Die Handlung beginnt damit, dass die Hauptprotagonisten nacheinander oder abwechselnd in ihren  Alltagssituationen vorgestellt werden und dabei auch immer schon Bezüge zu ihrer Einstellung zur Ernährung oder Massentierhaltung gezeigt werden. Schon hier zeigen sich viele Situationen, die jedem vegan lebenden Menschen aus dem Alltag wohlbekannt sind. Die üblichen Klischees und Kommentare, die in Familie und Freundeskreis vorherschen, die Fakten und Geschichten, die man an Intressierte weitergibt und die Gedanken, die man sich Tag um Tag macht.
Trotzdem bleiben Humor und Skurilität schon am Anfang des Filmes nicht auf der Strecke. Es gibt immer was zum Schmunzeln, Grinsen oder leut Loslachen.

Die Geschichte baut sich langsam auf, die Puzzelteile fügen sich. Vicki, die Hauptperson, die eine Kita leitet, trifft durch eine Zeitungsannonce auf Alma. Die alte wohlhabene Dame sucht verdeckt über ihre Selbsthilfekurse nach geeigneten Mitstreitern für ihre geheime Tierrechtsguerilla, die sich im Restaurant "Los Veganeros" trifft. Und so gelangt auch Vicki in diese Gruppe und nimmt an den etwas quatischen Treffen der bunten Truppe teil, in der verrückte bis absurde Aktionen überlegt und geplant werden, um die Menschen vom Fleischkonsum abzubringen.
Zur selben Zeit beginnt Vicki noch eine Beziehung mit dem eigentlich-fleischessenden Matt. Dieser lässt sich schnell von Vickis Überzeugung anstecken. Die beiden verabreden sich nach einer durchzechten Nacht zum gemeinsamen essen. Bei wildromantischer Musikuntermalung wird eingekauft und gemeinsam Veggie-Lasagne gekocht.

Bei dieser Szene aus einigen Reihen hinter mir ein Zwischenruf: " Toll, jetzt hab ich Hunger!!" *ggg*

Die beiden Verliebten schweben auf Wolke 7 doch dann begeht Matt  ungewollt einenen Vertrauensbruch- zumindest aus Vickis Sicht, so dass sie den Kontakt zu ihm abbricht.
Während die "Los Veganeros" nun ihren großen Coup gegen die Fleischindustrie planen, beginnt Matt in seinem Bekanntenkreis seinen eigenen Krieg gegen die Wurstesser. ....  .....   .....
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Alles weitere und wie der Film ausgeht, sollte sich jeder selber angucken. Ich möchte jetzt nicht spoilern.

Als Fazit möchte ich sagen: Ein gelungener Laien-Film mit Charakter, der viel Humor und Selbstironie zeigt. Die Figuren sind teilweise sehr bizarre und überzogen. Hierdurch und durch die deutliche Stellungnahme zu veganer Ernährung, die sich auch ziemlich penetrant durch den ganzen FIlm zieht, wird es sicher viele Leute geben, denen der Streifen zu plakativ ist. Die Mehrheit allerdings wird ihn feiern, weil er unverkrampft ohne erhobenen Zeigerfinger einfach die wichtigsten Fakten zeigt, die Klischees beider Lager gekonnt aufs Korn nimmt und durch die Unbedarftheit der Darsteller einfach wie "eine Geschichte von nebenan" wirkt.
Bleibt noch zu sagen, dass viele Situationen, wie die Predigt im Klassenraum und der Infoabend in der Kita schöne Wunschträume sind, bei denen sich ind er Realität wahrscheinlich viel mehr Gegenstimmen regen würden. Die im Film gezeigte Einsicht der Angesprochenen, würde in den meisten Kreisen wohl eher durch Zweifel oder Leugnen überschattet werden. Grade eshalb waren diese Momente im Film aber so großartig, weil sie ein kleines bisschen Hoffnung zeigen - was sein könnte - vielleicht - irgendwann einmal....

Insgesamt kann man sagen, dass der Film verschiedene Reaktionen hervorruft:
Der überzeugte Fleischesser wird sich bestätigt fühlen, dass Veganer wirklich nur extremistische Spinner sind und das Fazit des Filmes und das Augenzwinkern hinter der Handlung völlig ausblenden- genau wie die meisten Zahlen und Fakten im Film.
Der überzeugte Veganer kann sicherlich die meisten der themenbezogenen Dialoge im Film beim ersten Ansehen schon mitsprechen, weil er das Gefühl hat, dass exakt sein Alltag verfilmt wird. Hat allerdings einen Heidenspaß dabei.
Aber die eindringlichste Wirkung wird der Film auf alle haben, die noch Tierprodukte konsumieren, aber schon Interesse daran hat, bewusster und vielleicht vegetarischer zu leben. Die einfach aus dieser Neugierde heraus in den Film gegangen sind. Diese werden mit einem Haufen wahrscheinlich ganz neuer Informationen und Wissensbröckchen gefüttert. Sie erleben  mit  Matt, wie man für sich selbst Stück für Stück feststellt, wie unreflektiert und gleichgültig unsere übliche Ernährung ist.

Der Film zeigt, was in unserer Gesellschaft schief läuft: Die, die tatsächlich Gutes wollen und sich dafür einsetzten, werden aus lauter Verzweiflung über die Ignoranz der Gesellschaft mitunter kriminell   -   die die alles einfach als gegeben und normal hinehmen und sich dem von den Firmen aufgebauten (Ernährungs-)System fügen, dabei mitspielen und es letztendlich an der Supermarktkasse finanzieren, das sind die anständigen Leute, die sich ihr Urteil über die "extremen und militanten Spinner" erlauben.
Irgendwas ist schief gelaufen mit der Krone der Schöpfung.

Das wird mir noch mal deutlich bewusst, als der Taxifahrer mich auf dem Heimweg nach dem gesehenen Film befragt und ich die Handlung wirklich sehr sehr wage mit gesellschaftskritisch umschreibe. Denn ich kenne ja die allgemeinen Reaktionen zum Thema "vegan". Vielleicht tue ich dem wirklich sehr netten Fahrer Unrecht und er hätte sich wirklich über das "böse Wort" unterhalten wollen, aber ich bin einfach zu müde mich mit einer eventuellen Negativreaktion eines älteren Semsters noch einmal diskussionstechnisch auseinander zu setzen. Von daher belasse ich es entgegen meiner eigentlichen Kommunikationfreude zu dem Thema dabei.


#grassfressend und laubkauend #
Nisi


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